Endogene Psychosen : |
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Psychoseratgeber: 1.0.
Vorbemerkungen und Einführung Externe Links: (für Fernsehschauer) : Zur Abgrenzung und zum Verständnis: Bei einer Neurose ist die Teilnahme an Alltagsaktivitäten weniger stark gestört. Außerdem handelt es sich bei den Neurosen um erworbene und erlernte, mir selbst und der Situation unangepasste Störungen innerhalb eines prinzipiell intakten psychischen Erlebens: Neurosen werden während des Lebens erworben: sei es daß wir problematisches Verhalten in der Kindheit erlernt haben, sei es daß wir es im späteren Leben Konflikte im innerseelischen Erleben nicht bewältigen konnten: Konfliktreaktionen im Inneren und emotionale Anpassungsstörungen im äußeren sozialen Umfeld. Aufgrund schwerwiegender äußerer Belastungen kommt es manchmal auch zu einer Veränderung in uns selbst, die bis ins Organische der Stressverarbeitung reichen: Wir sprechen dann von eine PTSD: posttraumatischen Belastungsstörung und traumatischen Stressreaktionen. Auch erzeugt seelischer Schmerz durch neuronale Vorgänge vermehrt körperliche Beschwerden.. Diese nennt man dann somatoforme oder psychosomatische Erkrankungen. Wenn ich Suchtmittel oder nicht stoffliche Süchte anwende, um meine Probleme zu lösen, wird die psychische Störung ebenfalls organisch: Abhängigkeit und deren körperliche Folgen. d.h. Psychiatrie beschäftigt sich mit dem Grenzbereich zwischen organischem und seelischem. Persönlichkeitsstörungen sind eine weitere Gruppe von Erkrankungen: Die Gesellschaft ist darauf angelegt, daß wir uns durch unterschiedliche Charaktere mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen zu einem sozialen Ganzen ergänzen. Manchmal leiden wir unter Extremen dieser Eigenheiten: Diese nennen wir dann Persönlichkeitsstörungen, wenn sie uns beim Versuch, gut zu leben, stören oder uns aus dem sozialen Rahmen fallen läßt. Persönlichkeitsstörungen haben einerseits eine erbliche aber auch eine erlernte Grundlage, - oft gibt ein Kontinuum
an Ausprägungen von ganz leicht bis ganz schwer, - wir erleben das
Problem oft auch psychologisch als sehr hartnäckig und festsitzend:
Durch unsere eigenen Überzeugungen provozieren wir
immer wieder neu ähnliche soziale Erfahrungen.. Diese
bestätigen wiederum die eigenen verzerrten Grundannahmen
(Schemata) -. wir und andere leiden an der gestörten sozialen Interaktion
wiederum aufgrund dieser verzerrten Grundannahmen.
Bei den Psychosen unterscheiden wir organische Psychosen im eigentlichen Sinne und "endogenen" Psychosen. Organische Psychosen treten meist bei älteren Menschen aufgrund einer faßbaren organischen oft strukturell sichtbaren Grunderkrankung auf: z.B. Durchblutungsstörungen, Zellneubildungen, Entzündungen (z.B. Meningitis, MS etc. ) Stoffwechselstörungen, Gifteinwirkungen (z.B. Alkohol) sowie z.B. vorzeitige Alterungsprozesse mit Zellschwund und Eiweissablagerungen wie z.B. bei der Alzheimer Demenz. Es gibt drei große Gruppen der endogenen Psychosen: 1. die "wahnhaften Störungen"
mit einer Veränderung des Realitätserlebens bis hin zur
Gruppe der Schizophrenien 2.0. Hier auf dieser Seite soll es aber um die sog. "endogenen" "schizophrenen" Psychosen gehen. Die Gruppe der Depressionen und bipolaren Störungen werden im Depressionsratgeber abgehandelt. Ratgeber: Weitere Links: Wir haben in neuropathologischen Untersuchungen bei endogenen Psychosen allgemein keinen Schaden gesehen und sie „endogen" genannt, weil äußere Ursachen nicht klar waren: Dabei nehmen wir heute mit zunehmender Sicherheit Funktionsstörungen in der biochemischen Regulation bestimmter Hirnareale insbesondere im Dopamin- und Serotoninstoffwechsel an: Von zentraler Bedeutung ist gerade auch die sog. Stammganglienschleife. Sicher ist, Psychosen entstehen nicht durch Fehler der Mütter oder Fehler in der Erziehung: sie sind nicht erlernt. Sie treten fast überall auf der Welt etwa gleich häufig auf, unabhängig von der Art der Erziehung. Dabei ist Schizophrenie ein irreführender Begriff: Es handelt sich nicht um eine Spaltung, sondern eine spezielle Sensibilität und Verletzlichkeit (Vulnerabilität). Andererseits: wenn äußere Anforderungen zu Überforderungen werden, oder Traumata unbewältigbar werden, läßt der damit verbundene Stress die Krankheit leichter ausbrechen. Deshalb steht auch der Ausbruch einer Psychose und deren Inhalte in Beziehung zur aktuellen Lebenssituation und kann sich je nach aktueller Situation verändern. Als Betroffene empfinden wir die Krankheit nicht als Krankheit, unsere Sicht der Dinge ist verändert und in unsere Gefühle von Angst, Depression oder Selbstüberschätzung einbezogen. Krankheitseinsicht beim Betroffenen und Wissen über die Art der Erkankung und Behandlung zu erreichen, ist daher erstes Ziel der Behandlung: Aufklärung der Familien und die gemeinsame Arbeit mit dem Betroffenen an der richtigen Deutung seines Erlebens gehört ganz zentral zur Behandlung dazu. Wichtig ist es zu wissen, daß je früher die Erkrankung behandelt wird (und je kürzer die unbehandelte Erkrankungsphase ist), desto besser ist die Prognose einer Wiederherstellung. Eine gute Broschüre zur Früherkennung von Psychosen wurde von der Univ. München, Köln, Bonn mit dem ZI- Mannheim und dem Schizophrenie Kompetenz-Netz herausgegeben. Dachorganisation: "Fetz" Der Fragebogen zur Früherkennung von schizophrenen Psychosen ist mit Erläuterungen am besten als PDF Datei unter dem Link: http://www.fetz.org/broschueren/frueherkennung.pdf herunterladbar. Zu einer kurzen Risikoabschätzungsskala für Laien: und orientierenden Symptomfragebogen siehe: http://www.psychiatrie-aktuell.de/news/detail_furInter.jhtml?itemname=news_440 3.0. Symptome und wissenschaftliche Erklärungen: Die Untergruppen von Psychosen sind
in einschlägigen Lehrbüchern (z.-B. Manfred Bleuler
Lehrbuch der Psychiatrie, Springer Verlag) geschildert : Als
weitere Anregung zur Lektüre: http://www.mendiger.de/psychiat.htm
Die Psychosen werden bei Leonhard in drei Hauptgruppen eingeteilt: solche, die als Hauptsymptom die Motorik betreffen, (Motilitätspsychose, Katatonien), solche die den Affekt, das emotionale in erster Linie betreffn (Angst-Glücks-Psychose, Paraphrenien), und solche die das Denken in erster Linie betreffen: (Verwirrheitspsychose, Kataphasien): Die Psychosen zeigen einen schubförmigen oder phasenhaften Verlauf über die Zeit: Es gibt Phasen akuter Symptome (Schübe), daneben aber auch symptomarme Phasen, in denen die Krankheit schlummert und im Fall einer erneuten Überlastung des Systems weiter auszubrechen droht. Die Erkrankung muss deshalb medikamentös über den Zeitraum akuter Krankheitserscheinungen hinaus vorbeugend behandelt werden. Die endogenen Psychosen sind schwere Krankheiten: Einerseits prägt die Krankheit oft von Jugend auf die Möglichkeiten der Lebensbewältigung und Berufsausübung. Kontakte verändern sich, soziale Bindungen leiden oder gehen verloren, oft ist die Familie mitbetroffen und leidet mehr als der Patient selbst. Weiterhin gibt es eine Vielzahl bereits jung erwerbsunfähiger Menschen in dieser Krankheitsgruppe. Die Krankheiten münden unbehandelt in ca. 10 % durch Suizide in verheerende Folgen: d.h. das Risiko an einer schweren Psychose zu sterben, liegt statistisch etwa so hoch wie bei einem unbehandelten Herzinfarkt. Es gibt also genügend gute Gründe, eine Behandlung gewissenhaft und oft über Jahre zuverlässig durchzuführen. Neu ist,
dass wir mehrere Erkenntnismethoden dazugewonnen haben, die die
Ursache und den Ablauf der endogenen Psychosen klarer werden
lassen. Einerseits wurden
bereits Gene entdeckt, die einen Teil der schizophrenen oder
manisch depressiven Erkrankungen bedingen: Als Beispiel ein
populärwissenschaftlicher Link: Zur Entdeckung des Gens der
periodischen Katatonie nach Leonhard: http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/nano/news/16935/ Ungefähr ein Prozent der deutschen
Bevölkerung ist von Schizophrenie betroffen. Und nur
bei einem Teil der Schizophrenie-Kranken spielten überhaupt
genetische Veränderungen eine Rolle. Es gibt eine
Vielzahl weiterer Faktoren, die die Krankheit auslösen
können.
Nachweisbar
sind oft Hirnentwicklungsstörungen, die
heute aufgrund verbesserter bildgebender Untersuchungsmethoden
herausgefunden werden können. Hirnentwicklung beim Embryo
findet mit Zellwanderung und Wachstum vor allem im 4. bis 5.
Schwangerschaftsmonat statt. Eine schizophrene Psychose ist
möglicherweise Folge frühkindlich erworbener
Entwicklungsschäden der Hirnentwicklung, sei es durch einen
Infekt, den die Mutter durchgemacht hat oder unterschiedlichste
Schädigungseinflüsse wie Sauerstoffmangel, Alkohol, und
andere "Hemmungsmißbildungen", heute noch unklarer
Ursache. (z.B. ist in Städten die Gefahr an einer Psychose zu
erkranken höher als auf dem Land).Forschungsbericht
der Universität Würzburg Psychiatrische Klinik Ein Beispiel für den Fortschritt im
Verständnis der Erkrankung ist das Verständnis
von akkustischen Halluzinationen: Es kann sein, sie hören
eigene Gedanken laut, sie hören kommentierende Stimmen über
ihre Handlungen, oder dialogische Stimmen, die über ihren
Kopf weg ausmachen, was sie tun oder nicht tun: Wir wissen von den
funktionellen MRT Bildern heute, dass ein echter akkustischer Reiz
(Geräusch o.ä.) wegen des räumlichen Hörens
immer beidseitig gehört wird. - Bei akkustischen
Halluzinationen ist dagegen nur die Hörregion einer
Hemisphäre erregt. ... d.h. es lässt sich zwischen
endogenen Halluzinationen und äußeren Hörvorgängen
im Rahmen von Forschungsuntersuchungen bildgebend unterscheiden.
Es handelt sich dabei noch nicht um eine Routineuntersuchung als
Krankenkassenleistung.
Ein ganz primäres Symptom sind sog. Verfolgungsgefühle: Es gibt eine Feinabstimmung, der Bedeutungssetzung bzgl. meiner Wahrnehmungen, und meiner gefühlsmäßigen Verfassung: Emotionale Bedeutungen werden im limbischen System, einem Areal in der Nähe des Balkens an den gegenüberliegenden Innenseiten der Hirnhemisphären, insbesondere im vorderen "Gyrus cinguli" zugeordnet, in der Inselrinde sind emotionale Inhalte wie Ekel oder Abscheu, in den Mandelkernen "Amygdalae" Angst als Gefühl gespeichert. Das limbische System übernimmt die Zuordnung des Erlebten zu bestimmten Emotionen und erleichtert damit die Verarbeitung äußerer Erlebnisse auf dem Boden unserer biographischen Erfahrung. Die Empfindlichkeit dieser Bedeutungszuordnung wird wie beim Bewegungssystem durch das Stammgangliensystem fascilitiert oder begrenzt.:Wir verstehen jetzt den Zusammenhang der Dopaminblockierenden Wirkungen und (Parkinson)-Nebenwirkungen) neuroleptischer Medikamente: Wie im Bewegungssystem nimmt der Ncl. Caudatus mit dem Putamen (=Striatum) mit den inneren Kerngebieten Kontakt auf, und erleichtert oder erschwert Bedeutungen im Assoziativen Kortex oderWillkürbewegungen. Die Stammganglien haben eine zentrale Bedeutung für die Feinregulierung der Empfindlichkeit und damit der "Vulnerabilität" für Psychosen. (Quelle: Zeitschrift "Nervenheilkunde"
7 und 8/2002 , Schattauer Verlag: Schizophrenieforschung mit der
f-MRT.) und im Internet: http://www.psychiatrie-aktuell.de/
4.0
Minussymptome, Sozialpsychiatrie und die Probleme der Familie.
Bei einem Teil der Patienten heilt die Psychose folgenlos aus. Oft müssen sich die Angehörigen jedoch damit auseinandersetzen, daß der Patient nach Abklingen der akuten Psychose irgendwie verändert ist, daß er nicht mehr ganz der Mensch ist, den sie aus der Zeit vor der Krankheit kennen. Patienten, bei denen Schwung und Initiative darniederliegen, müssen immer wieder dazu angehalten werden, morgens aufzustehen, sich anzuziehen, sich zu waschen, in die Schule oder zur Arbeit zu gehen und sich an den zu Hause anfallenden Arbeiten zu beteiligen. Als biochemische Erklärung besteht gleichzeitig eine Verarmung von Dopamin und Serotonin in Regionen der Antriebsbildung und des Stirnlappens, sowie gleichzeitig ein Übergewicht erregender Überträgerstoffe in anderen Kerngebieten, diese Störung ist auch als Vorstufe der Erkrankung und „Basisstörung“ der akuten Symptomatik oft vorausgehend.Ausserdem ist das Arbeitsgedächtnis tatsächlich oft mitbetroffen. Bei manchen schwerer beeinträchtigten Patienten ist die Einsicht in die eigene Krankheit einem beständigen Wechsel unterworfen: manchmal erkennen sie, daß sie krank sind, manchmal fühlen sie sich trotz eindeutiger Krankheitszeichen völlig gesund und verlieren den Bezug zu realen Ebenen. Das Bedürfnis, viel zu schlafen, sich zu schonen oder sich zurückzuziehen, aber auch die Launenhaftigkeit und Unberechenbarkeit werfen immer wieder die Frage auf, wie man damit umgehen soll. Ist es besser, geduldig und nachsichtig zu sein, oder ist ein eher energisches Vorgehen angebracht? Meistens läßt sich diese Frage tatsächlich nicht eindeutig beantworten: Viele Patienten sind nach Abklingen der Psychose tatsächlich weniger belastbar. Andererseits schonen sie sich mehr als nötig. Insofern bewährt sich meist ein Umgangstil, der beide Elemente beinhaltet, sowohl die Geduld, als auch die Bereitschaft, dem Patienten im Bedarfsfall klare Anweisungen zu geben. (Auszug aus einem Patientenratgeber von Herrn Prof. Dr. Hans-Jügen Luderer, dem leitenden Arzt der Kliniken am Weissenhof in Weinsberg, früher an der Psychiatrischen Klinik und Universität Erlangen-Nürnberg) http://www.zfp-weinsberg.de/index.html Sozialpsychiatrische Fördermöglichkeiten ergeben sich durch die Angebote des Samariterstifts Obersontheim, darunter des sozialpsychiatrischen Dienstes, der Werkstatt, der Familienpflegebetreuung und dem betreuten Einzelwohnen. Kontaktadressen: Siehe
Adressen:
5.0 Therapie und Verlauf psychotischer Erkrankungen Während man früher
glaubte, Schizophrenien seien Krankheiten, die ungünstig
verlaufen und nahezu immer schwere Veränderungen nach sich
ziehen, weiß man heute, daß ein günstiger Verlauf
gar nicht selten ist. Man kann davon ausgehen, daß die
Krankheit bei etwas mehr als einem Drittel der Patienten ohne
Folgeerscheinungen abklingt, aber eine gewisse
Rückfallswahrscheinlichkeit beibehält, manchmal sogar
vollständig ausheilt. Bei anderen Patienten (ungefähr
ein weiteres Drittel) kommt es nicht nur immer wieder zu akuten
Krankheitsphasen. Zwischen diesen Phasen kann ein Patient mehr
oder weniger schwer aber in der Tendenz zunehmend mit der Zeit
unbehandelter Schübe und Psychosedauer beeinträchtigt
sein. Krankheitsverläufe, bei denen sich das Befinden und die
Leistungsfähigkeit des Patienten langsam, aber stetig ohne
Einflußmöglichkeiten verschlechtern, sind selten. Mehr
als die Hälfte der Patienten, die an Psychosen aus dem
schizophrenen Formenkreis erkranken, können ihr Leben
außerhalb der Krankheitsphasen im großen und ganzen
weiterführen wie bisher. Ein Teil der Patienten muß
jedoch damit rechnen, daß ihr weiteres Leben durch die
Krankheit mehr oder weniger schwer beeinträchtigt wird. Diese
Beeinträchtigungen sind jedoch nur bei wenigen Patienten so
ausgeprägt, daß eine langfristige Behandlung in einem
psychiatrischen Krankenhaus erforderlich ist. Es gibt eine
Vielzahl ambulanter Hilfen (s.o.).
6.0 Die Behandlung mit Psychopharmaka : NEUROLEPTIKA Lange Zeit gab es in der Psychiatrie keine wirksamen Behandlungsverfahren. Durch die Entwicklung und zufällige Entdeckung der „Neuroleptika“ verbesserte sich die Situation der psychisch Kranken jedoch ganz entscheidend: Neuroleptika haben eine ordnende Wirkung auf Denken und Wahrnehmung. Durch die Behandlung mit Neuroleptika ist es möglich, die Dauer der akuten Krankheitserscheinungen erheblich zu verkürzen, ein Wiederauftreten der akuten Psychose zu verhindern. Neuroleptika sind deshalb in erster Linie keine Beruhigungsmittel. Die ordnende Wirkung der Neuroleptika bei akuten Psychosen ist vom Medikament und von dessen Dosierung abhängig. Die hochpotenten Neuroleptika wirken besonders gut gegen Sinnestäuschungen, Beeinflussungserlebnisse, Wahn und Störungen des Gedankengangs. Niederpotente Neuroleptika mildern innere Unruhe und beheben Schlafstörungen. Dosierung
der Medikamente Die meisten Patienten werden
sowohl unter Sinnestäuschungen als auch unter innerer Unruhe
und Schlafstörungen leiden, besteht die geeignete Behandlung
meist in einer Kombination von hoch- und niederpotenten
Neuroleptika. Die Erfahrung zeigt, daß man bei der
Behandlung mit Neuroleptika keine allgemeingültigen
Dosierungsempfehlungen aufstellen kann. Depot-Neuroleptika und prophylaktische Medikamentenbehandlung. Nach Abklingen der akuten Psychose ist dieBehandlung mit Neuroleptika meist über längere Zeit notwendig, da man in der Regel damit rechnen muß, daß ohne diese Behandlung die Psychose wieder auftritt. Nun ist es zweifellos nicht jeder manns Sache, täglich Tabletten einzunehmen Zudem weiß jeder, der schon einmal regelmäßig Medikamente nehmen mußte, wie leicht die eine oder andere Einnahme vergessen werden kann. Bei dieser Behandlung erhält der Patient je nach Präparat im Abstand von l bis 4 Wochen eine intramuskuläre Injektion, eine Spritze also, die in der Regel in den Gesäßmuskel gegeben wird. Innerhalb der nächsten 1 bis 4 Wochen (je nach Präparat unterschiedlich) braucht der Patient nicht an die Einnahme von Medikamenten zu denken. Es gibt allerdings nur wenige beruhigende mittel- bis niederpotente Depot-Neuroleptika. Aus diesem Grund ist es häufig notwendig, zusätzlich zu einem hochpotenten Depot-Neuroleptikum ein niederpotentes Neuroleptikum in Tablettenform einzunehmen. Bezüglich atypischer Neuroleptika siehe eigenes Kapitel 8 nach Schilderung der Nebenwirkungen Leider haben alle wirksamen Medikamente Nebenwirkungen. Das gilt auch fuer die Neuroleptika. Niederpotente Neuroleptika verursachen in höheren Dosierungen häufig Mundtrockenheit sowie Kreislaufregulationsstörungen mit erniedrigtem Blutdruck was sich in Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Schwindelgefühlen äußern kann. Unter der Therapie mit hochpotenten Neuroleptika kommt es häufiger zu verschiedenen Bewegungsstörungen, die als Fruhdyskinesien, medikamentös bedingtes Parkinson- Syndrom und Akathisie bezeichnet werden. ( siehe Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft) (spezielle Links zu allen Fragen der Arzneimittelbehandlung) Frühdyskinesien treten meist in den ersten Tagen der Behandlung mit hochpotenten Neuroleptika auf. Es kommt zu Verkrampfungen der Zungen-Schlundmuskulatur oder zu Blickkrämpfen mit dem Zwang, nach oben zu schauen Frühdyskinesien sind zwar ausgesprochen unangenehm, aber nicht gefährlich. Bei intravenöser Gabe von Biperiden (Handelsname: Akineton) verschwinden sie innerhalb weniger Minuten. Niederpotente Neuroleptika wirken „anticholinerg“ und verursachen trockenen Mund und trockene Schleimhäute, sie haben außerdem mehr blutdrucksenkende Nebenwirkungen. Wie bei den atypischen Neuroleptika ist hier Gewichtszunahme ein Problem. Beim medikamentösen Parkinson-Syndrom spüren die Patienten, daß sie steif und unbeweglich werden und daß besonders feine Bewegungen, wie z B das Auf- und Zuknöpfen der Kleidung. mühsam werden. Außenstehende bemerken, daß die Patienten ihre Arme beim Gehen weniger mit bewegen und daß das Gesicht starr und masken haft erscheint. Auch das medikamentöse Parkinson- Syndrom bessert sich unter der Gabe von Biperiden. Das Risiko steigt mit zunehmendem Alter, in der Geriatrie sind deshalb einige atypische (z.B. Seroquel) oder mittelpotente mildere Neuroleptika (z.B. Melperon) Mittel der Wahl. Die Akathisie ist eine ausgesprochen quälende Unruhe, die meist in den Beinen empfunden wird. Die Patienten verspüren den Drang umherzulaufen, auf der Stelle zu treten oder die Beine in anderer Weise ständig in Bewegung zu halten. Diese Bewegungsstörung spricht in der Regel kaum auf eine Behandlung mit Biperiden oder anderen Antiparkinsonmitteln an. Es ist dann notwendig, die Dosierung der hochpotenten Neuroleptika zu reduzieren und vermehrt niederpotente Neuroleptika einzusetzen. Neuroleptika beeinflussen auch die Hormonregulation. Insbesondere kann es bei Frauen unter der Behandlung zu Zyklusstörungen, Absonderungen von Milch aus den Brustdrüsen und bei Männern und Frauen zur Abnahme des sexuellen Verlangens, bei Männern zu Potenzstörungen kommen.. Diese Nebenwirkungen hängen von der Dosierung ab und bessern sich evtl. von selbst. Bitte sonst darüber reden und vom Arzt ggf eine Dosis/Substanzänderung erbitten. Außerdem sollte der Arzt bei einer Behandlung mit Neuroleptika gelegentlich das Blutbild und Leberwerte (selten Veränderungen außer bei Clozapin) kontrollieren. Während der Langzeitbehandlung mit herkömmlichen hochpotenten Neuroleptika muß(te) man mit einer weiteren Gruppe von Nebenwirkungen rechnen, die unter der Bezeichnung "Spätdyskinesien". Hierunter versteht man unwillkürliche Bewegungen, beispielsweise Zucken der Mundwinkel, leichtes Schmatzen oder Bewegungen der Zungenmuskulatur. Spätdyskinesien treten in der Regel erst nach langandauernder und evtl. nicht aber zwingend nur bei hochdosierter Behandlung auf. Deshalb sollten Neuroleptika grundsätzlich so niedrig wie möglich dosiert werden. Leider sind diese Bewegungsstörungen nicht ganz selten: Wenn man leichteFormen mit einbezieht, muß bei einem Drittel der Patienten mit dieser Nebenwirkung gerechnet werden. Wenn Spätdyskinesien aufgetreten sind, wird der Arzt die medikamentöse Therapie über prüfen und gegebenenfalls ändern. Heute gibt es eine ganze Gruppe von Medikamenten, die diese Bewegungsstörungen nicht, kaum noch oder weniger als früher auslösen, die sog. "atypischen Neuroleptika" (Solian= Amisulpirid, Sulpirid, Zyprexa= Olanzapin, Seroquel= Quetiapin, Zeldox=Ziprasidon und Risperdal= Risperidon, partiell atypisch: Fluanxol= Flupentixol, und evtl. Perazin= Taxilan, , demnächst Abilify=Aripiprazol,). Diese Mittel haben nicht nur geringere Nebenwirkungen im Bewegungssystem, sondern teils auch etwas bessere Wirkungen auf Antriebsverarmung und Minussymptomatik: Sie greifen gezielter am Ort der Störung ein als die älteren Präparate. Diese Medikamente haben oft auch noch antidepressive Wirkungskomponenten, was im Verlauf sehr erwünscht ist. Es ist in Deutschland sehr unterschiedlich, inwieweit Nervenärzte diese innovativen, aber teuren Medikamente einsetzen. In der KV Nordwürttemberg (siehe Pflichtseite) wurden die Verhandlungen mit den Krankenkassen so geführt, daß diese als innovative Mittel aus dem Ärztebudget für Medikamente herausgenommen wurden, - teils verfahren Kollegen in anderen Bundesländern aus Angst vor Regressen (Geldrückforderungen der Kassen bei Budgetüberschreitung) noch sehr restriktiv mit dem Einsatz dieser Medikamente. Es handelt sich, das sei nicht verschwiegen, auch nicht um Wundermittel: Es gibt individuelle Unterschiede bezüglich des Ansprechens und bezüglich anderer Nebenwirkungen z.B. auf den Hypothalamus, was Gewichtszunahme stärker als bei den älteren Medikamenten verursacht. Über die Nebenwirkungen von Übergewicht (z.B. Diabetes) siehe Tagespresse und unseren Schlaganfallratgeber. Beim wirksamsten aller Neuroleptika, dem atypischen Neuroleptikum Clozapin (Leponex, Elcrit, etc.), dem ersten Vertreter dieser Substanzklasse, sind außerdem strenge Laborkontrollen wegen möglicher Blutbildnebenwirkungen vorgeschrieben. ( 18 Wochen lange wöchentlich, danach 4 wöchentliche Blutbildkontrollen solange das Mittel gegeben wird). Wenn diese Blutabnahmen ordentlich gemacht werden, gehört Clozapin weiter zu den bestwirksamsten Mitteln die es in der Medizin gibt: Es wirkt noch bei Therapieresistenten Patienten in bis zu 90 %. Durch den kontrollierten Einsatz wird für diese Patienten auch noch eine Besserung erreicht. Psychiatrie gehört also zu den erfreulichen medizinischen Disziplinen mit vielen Erfolgserlebnissen. Eine kleinere Gruppe von
Patienten erreicht Besserungen aufgrund der Schwere der
chronischen Erkrankung auch nur relativ und oft nur durch die
Kombination einer Vielzahl verschiedener evtl. hochdosierter
Medikamente beherrschbar, zum Teil auch durch Kombination anderer
Substanzgruppen von Psychopharmaka, wie Antiepileptika, die
psychotrope d.h. Stimmungsstabilisierende Wirkungen haben.
9.0. Andere Psychopharmaka nicht nur bei "schizoaffektiven Störungen" Bei der Behandlung von Psychosen werden außer den Neuroleptika auch andere Medikamente eingesetzt, insbesondere Lithiumsalze, Carbamazepin, und andere Stimmungsstabilisatoren (Für den Einsatz bei sog . schizoaffektiven Störungen siehe für hervorragende nähere Informationen dt. Gesellschaft für bipolare Störungen: www.dgbs.de Antidepressiva, Tranquilizer und Antiparkinsonmittel 'werden gegeben, um Nebenwirkungen der Behandlung mit Neuroleptika abzumildern. Wenn die Neuroleptika nach Abklingen der akuten Psychose reduziert werden können, ist es in aller Regel möglich, die Antiparkinsonmittel abzusetzen. Antidepressiva haben stimmungsaufhellende Wirkungen. Auch Erschöpfungszustände nach Abklingen der akuten Psychose können mit Antidepressiva behandelt werden. Zusätzlich zu den Antidepressiva werden jedoch immer Neuroleptika gegeben, da ja Antidepressiva nicht vor dem Wiederauftreten einer akuten Psychose schützen. Tranquillizer
(d.h. Mittel mit Verwandtschaft zum Diazepam oder Valium) gehörten
früher zu den am häufigsten verordneten Medikamenten
überhaupt. Sie beruhigen, beseitigen Angstzustände,
fördern den Schlaf und haben eine entspannende Wirkung auf
die Muskulatur. Nach längerer Einnahme können sie jedoch
auch in niedriger Dosierung zur körperlicher Abhängigkeit
führen. Aus diesem Grund sollten sie in der nur vorübergehend
eingenommen werden. - Im Rahmen der Behandlung akuter
schizophrener Psychosen gibt man diese Medikamente kurzfristig bei
schweren Angstzuständen, die sich auf Neuroleptika nicht
ausreichend bessern. Manchmal bei therapieresistenten Psychosen
haben Tranquillizer auch selbst noch eine Psychosestabiliserende
Wirkung, weshalb es Ausnahmen von der Regel nur kurzfristiger
Behandlung in begründeten Einzelfällen geben kann.
10.0. Ist es wirklich notwendig, über längere Zeit Neuroleptika einzunehmen? Mit Neuroleptika kann man Schizophrenien sehr wirkungsvoll behandeln. Alternativen gibt es lediglich noch bezüglich der evtl. noch wirksameren Elektrokrampftherapie die heute nur noch unter großem Aufwand in Kurzzeitnarkose und Muskelrelaxation durchgeführt wird. Trotzdem nehmen viele Patienten Medikamente nicht gerne. Dies kann beispielsweise an den Nebenwirkungen der Medikamente liegen. Meist gelingt es jedoch, die unmittelbaren Nebenwirkungen der Behandlung durch genauesAnpassen der Dosierung und sorgsame Auswahl der Medikamente erträglich zu machen. Auch der Gefahr der Spätdyskinesien kann begegnet werden, indem die Dosierung so niedrig wie möglich gewählt wird. Viele Patienten lassen die Medikamente jedoch weg, weil sie einfach meinen, sie brauchen sie nicht mehr. Diese Meinung stellt sich meist über kurz oder lang als Irrtum heraus. Unmittelbar nach dem Absetzen der Medikamente kann es zwar vorkommen, daß die Patienten sich kurzfristig besser fühlen, die Besserung ist jedoch selten von langer Dauer. Patienten mit anderen Krankheiten geht es da ganz ähnlich. So sind bestimmte Formen des Bluthochdrucks ebenso wie bestimmte Formen der Schizophrenie lebenslang bestehende Krankheiten, die eine ständige medikamentöse Behandlung erfordern. Auch Hochdruckpatienten fühlen sich ohne blutdrucksenkende Mittel häufig wohler, jedenfalls für kurze Zeit. Aus diesem Grund glauben auch sie, die Medikamente nicht mehr zu brauchen und lassen sie weg. Damit schaden sie sich selbst, denn der Blutdruck steigt wieder. Kein Patient, der an einer langdauemden Krankheit leidet, kann auf Dauer vor dieser Krankheit die Augen verschließen und so tun, als sei er gesund. Die akuten Symptome der
Schizophrenien bilden sich unter der Behandlung mit Psychopharmaka
im allgemeinen recht gut zurück. "Minus"- Symptome,
die nach Abklingen der akuten Psychose auftreten, lassen sich
durch atypische Medikamente besser aber immer noch oft nur
unvollständig beeinflussen. Wirkungsvoll sind hier u.a. nicht
medikamentöse Behandlungsverfahren wie Beschäftigungs-
und Arbeitstherapie. Wegen des Antriebsmangels sind die meisten
Patienten bei vielen Tätigkeiten auf Anregungen von außen
angewiesen. Es ist ihnen kaum möglich, von sich aus etwas
anzupacken. Deshalb ist es notwenig, sie immer wieder zu
ermutigen, ihre Tätigkeit fortzusetzen. Wenn dies nicht
geschieht verschlimmert sich der Antriebsmangel. Dies bedeutet
jedoch nicht, daß es für die Patienten von Vorteil ist,
wenn sie möglichst viel Anregung von außen erhalten, so
daß sie ständig unter Leistungsdruck stehen. Unter
diesen Bedingungen kann es unter Umständen zum
Wiederauftreten der akuten Psychose kommen. Es ist also wichtig,
den Patienten weder zu überfordem noch zu unterfordern!!
Viele Patienten und Angehörige
haben die Hoffnung daß man einem Patienten, der an einer
Schizophrenie erkrankt ist, mit einer Psychotherapie am besten
helfen könne. Leider werden diese Erwartungen besonders bei
analytischer Therapie in der Regel enttäuscht, oft kommt es
sogar vor, daß sich die Symptome der akuten Psychose durch
intensive psychotherapeutische Gespräche verschlimmem.
Psychotherapeutische Gespräche im Sinne sekundärer
verhaltenstherapeutischer Hilfen bei der Krankheitsbewältigung
und bei der Schaffung von Krankheitseinsicht gehören aber
immer zur Behandlung dazu: Sie können Patienten und
Angehörigen helfen, mit den Krankheitssymptomen besser
zurechtzukommen und sich mit und abänderlichen Störungen
abzufinden, ohne daran zu verzweifeln. Sie können helfen und
die medikamentöse Behandlung ergänzen, aber nicht
vollständig ersetzen. |
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Weitere Informationen: |
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Schizophrenia:
A Handbook For Families
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http://www.mentalhealth.com/book/p40-sc01.html
http://www.mentalhealth.com/book/p40-sc01.html |
Infos für Laien und Betroffene |
www.psychiater-im-netz.de |
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